Waffenkunst Revival für Polizei in China (Teil 1)


Waffenkunst Revival für Polizei in China (Teil 1)

Ich glaube es war während einer Chinareise 2012. Im Zentrum der Provinzhauptstadt 成都 Chengdu fielen mir am Rande eines großen Platzes kleine Polizeieinheiten auf. Sie hatten etwas Neues, besonderes an sich. Unterschwellig war sofort mein Interesse geweckt. In der Regel handelte es sich um kleine Einsatzzellen die zu dritt oder zu viert gemeinsam agierten. Auffällig war eine große Gabel an einer Stange von fast 2 m Länge. Mit seiner großen Spannweite kann die Gabel Personen umfassen und kontrollieren. Später entdeckte ich eine kleinere Variante. Die Gabelspannweite war hier eine Miniausführung. Mein erster Gedanke war „hat die Polizei eine Dreizack Langwaffe, wie sie unter traditionellen Wushuwaffen vorkommt angepasst und in ihr Repertoire aufgenommen“?

Nein, so war es nicht. Das neue Utensil hat Ähnlichkeit mit einer zweizackigen Gabel. Allerdings sind die Zackenenden nicht Spitz und zum Zustechen gedacht. Ein weiterer Kandidat wäre ein Mönchsspaten gewesen. Dieser besteht aus einer Halbmondform. Er ist kleiner und verfügt über einen scharfe Spatenkante. In der Folgezeit hatte mich das Thema stets beschäftigt. Heute habe ich dazu ein wenig auf chinesischen Webseiten Recherchiert, um einen kleinen Artikel darüber zu schreiben.

Wofür ist dieses Utensil gedacht?

Die 防暴钢叉 Fang Bao Gang Cha – „stählerne Aufruhrgabel“ wird zu Bekämpfung von Aufruhr und Schutz der Polizei, sowie Ordnungskräften eingesetzt. Unter Aufruhr sind dabei keine Demonstrationen gemeint. Es geht mehr um Einzelpersonen die sich mit gefährlichen Gegenständen wie Messer oder Eisenstangen ausgerüstet haben und Zivilpersonen oder Polizisten attackieren. Die „stählerne Aufruhrgabel“ gibt es in der großen Ausführung mit der man den Körper des Angreifers umgreift. Weiterhin kann man gegen die Füße im Schritt vorgehen oder in die Kniekehlen drückt. Die lange Stange ermöglicht auf sicherer Distanz zu bleiben. Die Ausführung mit kleiner Gabel ist ausschließlich zum Fangen und blockieren der Füße vorgesehen.

zwei Produktwerbungen – eine „Aufruhrgabel“ kostet unter 5€

Liegt die Gabel um das Fußgelenk lässt sich bei einigen Modellen noch ein Rundumverschluss aktivieren. Dies gleicht einer Fußfessel. Gefährliche Person werden von 3 bis 4  Polizisten umkreist. Zwei versuchen dann mit der Gabel den Angreifer zu Fall, auf den Boden, zu bringen. Die anderen helfen den Kollegen mit einem Schutzschild oder Schlagstange bis die Situation unter Kontrolle gebracht ist. Es stellt sich die Frage inwieweit es damit auch möglich ist bei Demonstrationen mit vielen Menschen oder einem aufgewühlten Mopp gezielt Einzelpersonen aus der Menge selektiv einzufangen? Vermutlich ist dies möglich, wenn eine ausreichende Übermacht an Ordnungskräften gemeinsam koordiniert vorgeht. Die Einsatzzellen müssten durch entsprechende Schutzkräfte abgesichert werden. Schließlich benötigt der Einsatz der großen „stählernen Aufruhrgabel“ einen gewissen Bewegungsraum, um erfolgreich zum Einsatz zu kommen. Während eines Tumultes können sich die Abstände schlagartig verringern. Für die Einsatzzellen bringt dies dann ein gewisses Risiko mit aufgerieben zu werden.

Historische Waffen als Vorlage

In Archiven zu den historischen Langwaffen für das antike Militär und die Kampfkünste in China konnte ich keine Vorlage finden der sich die chinesische Polizei als Vorbild bedienen konnte. Allerdings gibt es eine chinesische Webseite, welche sich mit historischen Waffen und Ausgrabungen in Malaysia beschäftigt. Hier findet sich auf dem Bild „图48 马来之旧式长兵 – „alte historische Langwaffen im Militär von Malaysia“ unter den Nummern 7 und 14 ein Beispiel. Es handelt sich um eine sogenannte 叉矛 Cha Mao – „Gabellanze“. Sie entspricht in ihrer Erscheinung der heute von der chinesischen Polizei verwendeten „stählernen Aufruhrgabel“. Diese historische Vorlage wird 叉形大矛 Cha Xing Da Mao(Malaysisch: Sangga mara)– „Gabelspeer“ genannt. Neben den Abbildungen werden aber leider keine genaueren Informationen über den „Gabelspeer“ gegeben. Als wesentlicher Unterschied fällt auf, dass die Zackenenden hier spitz und scharf sind. Für die Anwendung ist damit auch ein Zustechen angedacht.

Umgang in der Gegenwart

Die heutige „stählerne Aufruhrgabel“ der Polizei in China ist also nicht für das Töten und Verletzen durch Zustechen vorgesehen. In der Regel gibt es hier eine spezielle Ausbildung und Einweisung in die Handhabung der Gabel. Dafür stehen spezielle Ausbilder zur Verfügung, welche sich mitunter auch durch Hintergrundwissen in den traditionellen Wushuwaffen auszeichnen. Für die Rekrutierung in derartigen Einsatzgruppen wird im Internet eifrig geworben. Dies zeigt ein Video was 10 Anwendungstechniken demonstriert und wie eine 10er Form aus den klassischen Kampfkünsten einherkommt (nach der Werbung, bitte abwarten!) .

Unterlegt ist das Video mit einem poppigen Sound was ein cooles Gefühl für junge Nachwuchskräfte suggeriert. Für uns vielleicht albern, doch in China kommt es wohl gut an.

Gründe für neue Ausrüstungsmittel bei der chinesischen Polizei

China ist grundsätzlich ein sicheres Land. Es gibt jedoch Regionen und angespannte Zeitfenster, wo man sich in Sicherheit wiegt und plötzlich durch blitzartige Gewaltausbrüche in Teufels Küche kommen kann. Um Zuspruch bei der Bevölkerung zu bekommen kann es sich eine Regierung nicht erlauben, dass die Menschen Angst haben, wenn sie ihr Zuhause verlassen. Dies kann durch rücksichtslose Diebesbanden, Terroranschläge und lokale Fehden zwischen unterschiedlichen Ethnien hervorgerufen werden. Mitunter ist es die Regierung sogar selbst die Studentenkundgebungen gegen Japaner anheizt die sich jeglicher Kontrolle entziehen können.

Diesbezüglich hat man in all diesen Bereichen über die vergangenen 40 Jahre Lehrgeld zahlen müssen. Insofern ist die Einführung der „stählernen Aufruhrgabel“ für die Ordnungskräfte ein nachvollziehbares Mittel. Das Ziel ist die Sicherheit zu erhöhen. Über Google Suche findet man dazu hier interessante Bildquellen aus chinesischen Medien ….. .

Die Gabel wird auch bei den Spezialeinheiten der inneren Sicherheit eingesetzt. Interessant ist die Kombination mit Fangnetz was an Gladiatorenkämpfe im römischen Reich erinnert. -> Quelle + weitere Bilder siehe Link!

Kampfkünstler als Ausbilder für Polizeikräfte?

Grundsätzlich bleibt zu erwähnen, dass es in China lange Zeit in den Kampfkunstklans nicht üblich war Polizei oder Militär des Staates auszubilden. Das hängt mit dem hohen Anteil von Korrupten Beamten in der jüngeren Geschichte zusammen. Diese missbrauchten häufig die ihnen unterstehenden Ordungskräfte zu ihrem eigenen Vorteil und zur Unterdrückung der Bevölkerung. Inwieweit diese Praxis heute noch gilt muss letztendlich jeder für sich selbst einschätzen und sich entscheiden worin das geringere Übel liegt. Die „stählerne Aufruhrgabel“ ist keine Kampfkunstwaffe. Sie wird nicht im 1:1 oder 1: n Modus als Langwaffe mit einem Gegner trainiert. Es handelt sich um ein Werkzeug für Ordnungskräfte. Sie beruht auf Vorlage historischer Waffen in angepasster und entschärfter Form. Eine Langwaffe mit zweizackigen Gabelkopf hat es in der Geschichte als Waffe in Malaysia und in einer Variante mit enger stehenden Gabelzacken in Frankreich gegeben.


J. Weinbrecht, vom 15.03.2021








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Waffenkunst Revival für Polizei in China (Teil 1)
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Waffenkunst Revival für Polizei in China (Teil 1)
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Die 防暴钢叉 Fang Bao Gang Cha – „stählerne Aufruhr-Gabel“ zur Bekämpfung von Aufruhr und Schutz der Polizei in China. Was hat es damit auf sich?
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Institut für Bewegungskunst
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