Chen Taijiquan – Herbstcamp 2012 vom 03. bis 07.10.2012 in Ravensburg
In diesem Jahr kamen wieder zahlreiche Besucher aus ganz Europa nach Ravensburg gereist. Für den Veranstalter gab es die Aufgabe zu bewältigen für Einsteiger bis Fortgeschrittene Studenten eine geeignete Unterrichtsstrategie zu finden. In der Regel begann jeder Tag mit einem intensiven Basistraining für alle. Danach wurden zwei Schwerpunkt-Gruppen gebildet. Die Fortgeschritten beschäftigten sich intensiv mit dem Säbel-Formentraining und den dazugehörigen Partnerübungen. Diese wechselten sich mit Korrekturen in der Schwertform und der ersten langen Hand-Form „Yi Lu“ ab.
Für die Säbel-Partnerübungen nutzten wir schwarze Kunststoff-Simulatoren die man seit kurzen über diverse Onlineshops bekommen kann.
Sie haben ein akzeptables Eigengewicht, sind recht solide und splittern nicht bei stärkerer Kontaktaufnahme. Nicht so ideal erwies sich die Tendenz des Abfederns, der eingeschränkte Handschutz und natürlich auch das die Wahrnehmung nicht mit der von echtem Metall zu vergleichen ist. Dennoch erwies sich das Material als eine gute Alternative zu den handelsüblichen Holzsäbeln.
In der zweiten Gruppe wurde vorrangig der Ablauf der langen Form und der Schwertform erlernt. Vereinzelt kamen beide Gruppen wieder zusammen. In diesem Fall wurden theoretische Inhalte vermittelt die historische Vergleiche zwischen den Kampfkünsten in Europa und Asien darlegten. Dabei stellte sich heraus dass es gerade in der Waffenhandhabung zahlreiche Verwandtschaften gibt und diese vor allem nach ihrer zeitlichen Epoche differenziert werden müssen. Vielen Studenten wurde somit klar dass es beim Erlernen einer Form und der Beschaffenheit der Waffe einen Rückblick zur geschichtlichen Entstehung bedarf, um überhaupt zu verstehen was man eigentlich lernt. Im modernen, chinesischen Wushu ( sowie diversen Film-Klischees ) fällt auf damit sowohl die Schwerter oder Säbel in ihrer Beschaffenheit keine soliden Eigenschaften, verglichen zu der Zeit indem sie auch Kämpferisch genutzt wurden, aufweisen. Die Leichtigkeit dieser Gerätschaften wird fast immer wild aus dem Handgelenk herumgeschleudert. Authentische Waffen dieser Gattungen hingegen waren schwerer und mussten mit dem gesamten Körper bewegt werden. Man strebte eine echte Verbindung mit der gesamten Person an. Wird die Waffe mit dem strukturellen Verbund zum Körper geführt wirkt sich dies auch nachhaltiger auf die Gesundheit aus. Ist diese Erkenntnis angekommen versteht man dass es hier nicht um eine Performance gehen kann, sondern ebenfalls um eine Qualität der inneren Arbeit die jeder für sich selbst durchläuft.
Jeden Tag wurde für 2,5 Stunden vormittags und nachmittags trainiert. Eine Studentin sponserte für die Pausen zwei Kisten frische Bodensee-Äpfel, wofür wir ihr alle sehr Dankbar waren. Mittags genossen wir in diesen Tagen vorranging indische oder chinesische Kost. Am Samstag trafen sich alle in Weingarten zu einem gemeinsamen Abendessen, um sich auszutauschen und der wunderbaren spanischen Gitarrenmusik von Juan zu lauschen. Wie im letzten Jahr zeigte uns Juan noch einige rhythmische Handklopftechniken aus dem Flamenco am Tisch die es in sich hatten. Einige werden diese sicherlich als eine gute Handlockerungsübung für die Mittagspause im Büro mitgenommen haben.
Ab dem 4. Trainingstag spürt man dass der Körper sich nun ruhig und leichter anfühlt. Daher gab es am letzten Tag noch eine sehr Detail betonte Übungsroutine aus der Langen Form. Durch die sensiblere Wahrnehmung war es jetzt möglich einzelne Fassetten wie z. Bsp. Antrieb aus dem unteren Rücken oder richtige Gewichtung gefühlsmäßig in eine Einheit zusammen und geschlossen zu üben. So wurde jedem Bewusst was einen idealen Trainingszustand ausmacht. Mit dieser Erfahrung fuhren die meisten Teilnehmer wieder in ihre Heimat zurück. Für das kommende Jahr freuen wir uns auf ein baldiges Wiedersehen und bedanken uns für die intensiven Tage bei Dietmar Stubenbaum und Annemarie Leippert.
/ Jens Weinbrecht