Die Gefährten gehen gemeinsam in ein chinesisches Lokal zum Essen.
Am Tisch sitzend entdecken sie auf der Speisekarte « Wuji Suppe » und jeder fragt sich, was es wohl mit dieser ungewöhnlichen Speise auf sich hat.
« Klein-Meister » Xiao Shi 小師 [1] äußert sich in Gedanken versunken: Wenn ich sie sehe, rieche, schmecke, ihre Wärme oder Kälte spüre, dann kann es sich doch nicht um eine « Wuji Suppe » handeln?
Erster Einspruch:
Dann würde es sich doch um eine unausgewogene Yin-Yang-Suppenvermischung handeln?
Zweiter Einspruch:
Oder « Klein-Meister » Xiao Shi kann die ausgewogene Gewichtung von Yin Yang nicht erfassen?
« Klein-Meister » Xiao Shi ruft den Koch heran und fragt, wie es denn mit der « Wuji Suppe » zu verstehen sei.
Der Koch Antwort:
In der « Wuji Suppe » ist alles, was es auf der Welt gibt, und noch nicht gibt enthalten. Alles ist kurioserweise in einem Zustand, welchen man nicht einmal sehen kann. Meine Kunst besteht lediglich in der Zubereitung der « Wuji Suppe ». Ob die Gäste meine Suppe in Ihren Magen bringen, ist eine Angelegenheit, auf die ich keinen Einfluss habe.
Schweigen…, ein Ah hängt in der Luft.
« Klein-Meister » Xiao Shi spricht in die Runde: Lasst uns Essen und dann Taijiquan spielen. Wir werden der Frage nach einer ausgewogenen Gewichtung von Yin Yang die Ehre erweisen.
Der Koch Antwort: „Guten Appetit.“
[1] Xiao Shi 小師 – ein aus dem buddhistischen Terminus entliehener Begriff. Er bezeichnet einen buddhistischen Mönch, der weniger als 10 Jahre ordiniertes Mitglied einer Gemeinschaft ist. Danach würde er als « Großmeister » Da Shi 大師 gelten, doch aufgrund der Demut würde er diese Bezeichnung nie für sich gebrauchen. Hier als eine Anspielung auf den heute beliebten und inflationär benutzten Begriff « Großmeister » in den chinesischen Kampfkünsten, um einfach einmal über die Dinge nachzudenken, mit denen so verkehrt wird. Der Terminus ist in Taijiquan-Kreisen sehr populär und zeigt, dass im Laufe der Geschichte nicht unbedingt der Taoismus allein als vorrangiges Aushängeschild für das Taijiquan angesehen werden kann, so wie es gerne von Gegenwartsautoren in ihren Selbstauslegungen offeriert wird.
09. Sep 2022, von J. Weinbrecht