In der chinesischen Gesellschaft setzt man heute auf drei große Zugpferde, welche die Basis bilden, um Kinder in das Taijiquan einzuführen. Dabei werden gute Chancen gelegt, sie auch langfristig mitzunehmen.


Erstens werden die überlieferten Kampfkunsttraditionen in den Ursprungsfamilien eigenständig gepflegt.
Zweitens werden durch staatliche Lobby über die Medien-Kanäle die Interessen der Kinder für moderne wettkampfbasierte Kampfsportarten gefördert. Daher gibt es, wie bei uns im Fußball, auch interessierten Nachwuchs. Kinder aus traditionellen Kampfkunstfamilien wachsen dazu meist parallel mit den staatlich vorgegebenen Wushu-Disziplinen auf.
Drittens hat man in manchen Orten Chinas auf kommunaler Ebene beschlossen, Taijiquan in der Grundschule zu unterrichten. Dafür sind vor allem die Orte Chen Jiagou, Zhaobao und Yong Nian bekannt.

Kulturelle Basis
In China ist Taijiquan ein bedeutendes nationales Kulturgut. Durch seine weltweite Verbreitung und eine Initiative chinesischer Verbände gilt Taijiquan seit 2020 auch als immaterielles Kulturerbe der UNESCO. In der westlichen Kulturlandschaft gibt es schon seit mehr als hundert Jahren keine lückenlose Überlieferung von regionalen Familienkampfkünsten mehr. Es zeigt sich aber, dass es mit Unterstützung von Vereinen und in Kooperation mit engagierten Eltern, wie in China oder Japan, möglich ist, junge Menschen für die Kampfkünste und Lebenspflege-Kultur zu interessieren. Der internationale Austausch kann dabei helfen, die Motivation zu fördern und aufrechtzuerhalten.


Die Eltern und der gesellschaftliche Rahmen
Es gibt viele Gründe, warum Kinder und Jugendliche ihr Training abbrechen. Für die Unterrichtenden stellt der Abschnitt zwischen dem 6. und 20. Lebensjahr ein regelrechtes Minenfeld dar. Ein Umzug der Familie in eine andere Stadt, neue Freunde, Schulwechsel oder Eintritt in Berufsausbildung oder Studium sind häufig die Auslöser dafür, dass die begonnene Ausbildung zum Stillstand kommt. An erster Stelle steht jedoch die Haltung der Eltern gegenüber ihren Kindern, welche die Rahmenbedingungen vorgeben. Manche Kinder dürfen nicht einmal Kampfkünste ausprobieren, weil ein Elternteil mit starkem Vorurteil interveniert. Um eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen, müssen daher alle Erziehungsberechtigten an einem Strang ziehen.

Dazu gehört auch, nicht gleich klein beizugeben, wenn das Kind einmal keine Lust hat. Schließlich handelt es sich erst einmal um die Momentaufnahme eines Gemütszustandes, der sich sowieso nach kurzer Zeit wieder ändert und das dazu vielleicht noch mehrfach.
Hier kann es gut sein, nicht nachgiebig zu sein und auf mehr Verbindlichkeit zu bestehen.
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Kinder im Taijiquan machen wichtige Lernerfahrung und entwickeln Geduld. Geduld bedeutet in diesem Sinne dann auch, Koordinationsfähigkeit und Konzentrationsfähigkeit zu stärken.
Dazu kommt, dass Regelmäßigkeit Kindern in ihrer Entwicklung Stabilität und Sicherheit gibt.
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Wenn das Feedback kommt
Im Übrigen hört man heute häufiger von jungen Erwachsenen, dass sie sich bei ihren Eltern darüber mokieren, sie als Kinder nicht langfristig und verbindlicher an einer Sache gehalten zu haben. Vielleicht spielte bei uns eine überzogene antiautoritäre Erziehung eine Rolle, welche die Konsequenz mancher Eltern durch die Gesellschaft stigmatisierte. Das Thema wurde in der Zeit ab 1995 von jungen Pädagogen über öffentliche und private Medienanstalten in der Gesellschaft als neues Paradigma etabliert, ohne einen Blick auf nachteilige Nebeneffekte zu zulassen. Zum Glück ist es aber so, dass diejenigen, die es wirklich wollen, auch als Erwachsene Taijiquan lernen können. ALSO, nicht murren, sondern loslegen!
Vorboten der Gesellschaft
Heute gibt es andere Hemmnisse, welche die Kinder bei ihrer Entdeckung der physkalischen, äußeren Welt und Herausbildung von sozialer Kompetenz stören.
Sobald Kinder laufen können, sollten sie das auch tun. „Keine Zeit, um zu Fuß zu gehen“ ist bei Eltern mit ihren Kleinkindern heute sehr verbreitet. Es gibt viele Eltern bei uns, die auf Nachhaltigkeit setzen. Der Umwelt zuliebe wird auf dem Fahrrad oder einem Lastenrad das Kleinkind schnell von A nach B gebracht. Viele Städte haben sogar die Anschaffung von Lastenrädern für Eltern großzügig subventioniert. Damit wurde auch das stressige Gewusel in den Städten gefördert und die Option, zwei, drei Kilometer zu laufen, von vornherein ausgeschlossen. Eltern sind sicherlich auch anfällig für die Zuckerbrote der Politik und bereits selber durch das Chauffieren per Auto im eigenen Kindesalter vorgeprägt.
Handys und mobile Geräte stimulieren ständig und lenken die Neugierde einseitig auf digitale Inhalte. Auf der Strecke bleiben die Entwicklung kognitiver Prozesse und körperliche Beweglichkeit, da wichtige Zeitfenster während des Heranwachsens dafür ungenutzt bleiben. Australien scheint das erste Land zu sein, welches die irreversiblen Folgen nicht länger beschönigt. Hier kommt es zu Handyverboten an Schulen und Social-Media-Restriktionen für alle unter 16-Jährigen. Ob so eine Entwicklung nach mehreren Jahrzehnten in Deutschland einfach rückgängig gemacht werden könnte, bleibt fraglich. Eine EU-weite Lösung wäre sicherlich wünschenswert.
28.02.2025, J. Weinbrecht
‚Lasst uns Taijiquan spielen‘ – Taijiquan und Kids Teil 1
Spielen nicht vergessen – Taijiquan und Kids Teil 3
Quellen: Bilder 1, 4, 7, 8 und 10 Link zu chinesischen, öffentlichen Onlinequellen