Ein Interview mit Si Guo Liang 司国良, einem Zeitzeugen, welcher in der Überlieferungslinie von Taijiquan-Meister Chen Li Xian 陈立宪 steht, dem Vater von Meister Chen Pei Shan und Meisterin Chen Pei Ju.
Auf dem Taijiquan-Festivals der Internationalen Gesellschaft für Chen Taijiquan (ISCT) 2012 in Kaifeng 开封 gab es ein Interview mit Si Guo Liang 司国良 am 30. April. Meisterin Chen Peiju 陈沛菊 und Ihre Studenten vermittelten dieses treffen. Christian Greiter und Frau Zhang Lei张蕾 führten das Gespräch und die Übersetzung durch und Jens Weinbrecht stand an der Kamera. Meinem Lehrer Dietmar Stubenbaum gilt ein besonderer Dank für seine Bemühungen und Fürsprache für dieses Interview.

Das Interview
Lei:
Guten Tag, können Sie sich kurz Vorstellen? Herr J. Weinbrecht hat einige Fragen an Sie. Es geht um Chen Li Xian. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihn?
Si:
Mein Familienname ist Si. Ich komme aus Qin Yang 沁阳. Chen Li Xian ist mein Taijiquan-Lehrer gewesen. Natürlich erinnere ich mich.
Großmeister Chen Li Xian war damals in Chen Jiagou ursprünglich eine Autorität im Taijiquan gewesen. Er galt als eine Fachkraft für drei Disziplinen. Das waren Taijiquan, traditionelles Ausrichten der Gelenke und Knochen Zheng Gu 正骨 und Architektur. Alle drei stehen in einem Zusammenhang. Mit dem Ausrichten der Knochen und Gelenke Zheng Gu, das ist die Medizinische Seite. Die Architektur kommt aus der Zeit von seinem Vater (Chen Hong Lie 陈鸿烈).

Lei:
Wie lange hat Sie Großmeister Chen Li Xian unterrichtet und gelehrt?
Si:

1972 habe ich begonnen Taijiquan zu lernen. Ab 1973 begann ich bei Chen Li Xian zu lernen. 1983 sind wir zusammen nach Chen Jiagou zum Neujahrsfest gegangen. Dort haben wir 4 Tage zusammen verbracht. 1983 war die Gesundheitliche Versorgung in China sehr schlecht. Zu dieser Zeit hatte man bei Meister Chen zu spät Magenkrebs festgestellt. Kurze Zeit, nach einer Operation, ist er dann verstorben. Das war gerade als ich zehn Jahre mit meinem Lehrer gelernt hatte.
Lei:
Wenn Sie die Formen, genannt Taolu unterrichten, was Glauben Sie wie man da am besten Vorgeht?
Si:
Wenn man die Taolu unterrichtet beginnt man zuerst mit den Grundlagen. Zu meiner Zeit war ein 1 Jahr nicht genug um die Basis zu erlernen, es waren 3 Jahre nötig. Es ist sehr schwer den Basis-Rahmen in 3 Jahren zu erlernen. Bei dem Basisrahmen geht es zu aller erst um einen Prozess der eingeleitet wird, der die Steifheit im Körper beseitigen soll. Normalerweise ist der Körper der Leute steif und man muss die Fähigkeit entwickeln ihn weich werden zulassen. Ist er weich geworden erreicht man danach die Fähigkeit stark zu werden. So ist die Sache.
Lei:
Erinnern Sie sich an die … anderen? Dann habt ihr zusammen gelernt? Wurdet Ihr in der gleichen Lehrmethode unterrichtet?
Si:
Damals waren wir fünf Jungs die im Jahre 1973 als Schüler akzeptiert worden sind. Ich bin einer von ihnen. Bei den anderen weiß ich nicht mehr genau wann sie als Schüler aufgenommen worden sind. Wir wurden nicht gleichzeitig als Schüler angenommen und haben sehr selten gemeinsam gelernt. Aber wir fünf haben zusammen die Kampfkunst geübt. Das war grundsätzlich so nach 1973 jeden Abend bei unserem Lehrer Chen Li Xian Zuhause.
Er hat alle in der gleichen Lehrmethode unterrichtet.
Lei:
Sie haben lange in Qinyang gelebt und leben auch heute noch dort?
Si:
Das ist so, ich arbeite in Qinyang. Jetzt bin ich im Ruhestand und habe meinen eigenen Taiji-Betrieb.
Lei:
Können Sie mir ihren Taiji-Betrieb vorstellen?
Si:
Meinen Taiji(quan)-Betrieb habe ich 2010 im Mai aufgenommen. Bevor ich 2011 in Rente gegangen bin habe ich schon mit meinen Taiji-Unterricht begonnen. Dort werden Taiji-Enthusiasten unterrichtet. Ich biete den Unterricht genauso an wie ich ihn von meinem Lehrer bekommen habe. Begonnen wurde mit den Grundlagen. Nach 2Jahren sind die Grundlagen noch nicht abgeschlossen. Wegen der Teilnahme an Wettkämpfen lernt man die 51er Wettkampf-Form. Die Grundlagen lernen die Schüler weiter. Wenn die Grundlagen nicht gut sind praktiziert man auch kein gutes Taijiquan.

Lei:
Wie hat sich Ihrer Meinung nach der „Kleine Rahmen“ im Chen Taijiquan in Qinyang entwickelt. Lernen nicht mehr und mehr Leute Taijiquan? Unterrichten Sie die Schüler im „Kleinen Rahmen“ des Chen Taijiquan?
Si:
Mein Unterricht in Qinyang ist kostenlos, weil mir mein Lehrer das Taijiquan auch kostenlos beigebracht hat. Zurzeit sind das ungefähr über 100 Leute. Ich unterrichte immer den „Kleinen Rahmen“ im Chen Taijiquan. Mein Lehrer hat mir den „Kleinen Rahmen“ beigebracht.
Lei:
Was ist das für ein „Kleiner Rahmen“ im Chen Taijiquan?
Si:
Der „Kleine Rahmen“ ist das was ich überliefert bekommen habe, das gleiche Taijiquan wie Meister Chen Peishan.
Lei:
Besteht die Möglichkeit dass Sie auch an Ausländer den „Kleinen Rahmen“ unterrichten?
Si:

Ja das geht.
Meine Stadt Qinyang war früher der Regierungsitz und die Präfektur hatte den Namen Huai Qing Fu 怀庆府. Später wurde in der Geschichte der Regierungssitz verlegt und Qinyang wurde zu einem kleinen Dorf. Heute hat sich die Stadt Jiaozuo in der Nachbarschaft vergrößert und Qinyang ist wieder eine Stadt geworden. Heute wird Qinyang von Jiaozuo verwaltet. Früher war es umgekehrt. Chen Li Xian war von Beruf Architekt und hat später an einem Gymnasium gearbeitet. Zum Schluss war er ein Beamter für den Bereich Wohnungsbau.
J. Weinbrecht:
Findet man heute an diesem Ort mehr den „Kleinen oder den Großen Rahmen“ des Chen Taijiquan?
Si:
Wir haben hier den „Kleinen Rahmen“ und behalten ihn weitestgehend in konservativer Form bei, ich habe ihn nur sehr wenigen Schülern überliefert.

Si Guo Liang während einer Vorführung in Kaifeng 2012.
J. Weinbrecht:
Es ist nicht das vereinfachte, alltägliche Taijiquan (staatliches Taijiquan wie Pekingform usw.)?
Si:
Ich denke auch, es ist nicht das vereinfachte, alltägliche Taijiquan was man in der Öffentlichkeit sieht.
J. Weinbrecht:
Ich bedanke mich für das Interview mit Si Guo Liang.
Si:
Danke gut.

11.03.2025, J. Weinbrecht